Wenig bekannt ist, dass der Blutdruck physiologisch ausgeprägte Schwankungen, die systolisch um 60 mmHg und diastolisch um 40 mmHg liegen, aufweist; außerdem unterliegt er im zirkadianen Verlauf deutlichen Schwankungen mit den höchsten Werten am Morgen. Diese Blutdruckvariabilität spiegelt auch die nötige Anpassung der Blut- bzw. Sauerstoffzufuhr über die Veränderungen der Herzleistung an den jeweiligen allgemeinen oder lokalen Bedarf (z.B. bei Muskelaktivität) wider. Aber auch psychische Belastungen, wie z.B. oft auch die RR-Messung durch den Arzt, führen durch Ausschüttung von Stresshormonen zu Veränderungen in der Kreislaufregulation und damit zum Blutdruckanstieg.
Mit einzelnen Blutdruckmessungen z.B. in der Ordination ist es also aufgrund der RR-Schwankungen unmöglich, eine exakte Diagnose hinsichtlich der durchschnittlichen RR-Höhe, also des Blutdruckniveaus, zu stellen. Letztendlich aber spiegelt dieses die druckinduzierte Belastung von Herz und Gefäßen wider. Von besonderer Bedeutung, insbesondere hinsichtlich des Schlaganfallrisikos, hat sich auch das nächtliche RR-Verhalten erwiesen, Ein Blutdruckabfall um 10-20 % vom Tagesmittelwert während des Schlafs entspricht dem zirkadianen Normverhalten.
Als hervorragende Methode zur Erfassung des RR-Niveaus sowohl während des Tages als auch während der Nacht (Schlafphase) hat sich das 24h ABDM (24 Stunden Ambulantes Blutdruck-Monitoring) erwiesen. Die im Abstand von 15 Minuten (Tag) bzw. 30 Minuten (Nacht) erfolgenden Messungen leisten zur Diagnosesicherung (bzw. Ausschluss) einer Hypertonie, dem Nachweis einer Praxishypertonie und bei großen RR-Unterschieden zwischen Ordinationsmessung und Blutdruckassoziierten Organschäden (z.B. Herz, Gehirn, Nieren) einen wichtigen Beitrag zur Klärung. Das 24h-RR-Profil hilft dem Arzt oft auch die häufig auftretende essentielle Hypertonie, meist bedingt durch Vererbung und Umwelt (lifestyle-Einflüsse), von der sekundären, durch Organschäden bedingten seltenen Form (~ 5 %) zu unterscheiden. Nicht zuletzt kann die Risikostratifizierung hinsichtlich zu erwartender kardiovaskulärer Ereignisse (z.B. Schlaganfall, Herzinfarkt, Nierenversagen etc.) basierend auf dem 24h-ABDM wesentlich exakter als durch RR-Einzelmessungen erfolgen. Letztendlich ist auch die Konsequenz aller pathologischen RR-Messungen, nämlich das Einsetzen einer optimalen RR-senkenden Therapie, nur mittels 24h-ABDM ausreichend erfassbar.
Ein erfahrener Befunder kann also an einem 24h-ABDM-Protokoll zahlreiche wichtige Informationen zur Diagnose bzw. dem Ausschluss einer Hypertonie, zur Pathologie (essentielle/sekundäre) der Hypertonie und auch hinsichtlich der Therapieindikation und -optimierung herauslesen. Berücksichtigt werden müssen natürlich die zur Gelegenheitsmessung unterschiedlichen Normgrenzen, die sowohl die 24h-, die Tages- und die Nachtwerte betreffen.
Eine moderne Hypertoniediagnostik umfasst für mich neben einer Anamnese (auch Familien- und Medikamentenanamnese), der Statuserhebung und Evaluierung von Endorganschäden unbedingt auch eine 24h-ABDM, besonders auch unter dem Aspekt der häufig anzutreffenden (30 %) Praxishypertonie, die nicht antihypertensiv behandelt werden muss.